Society
Als Zugangspunkt zur Eindämmung der Erderwärmung und Minderung der Folgewirkungen des Klimawandels ist eine gesellschaftsbezogene Perspektive von zentraler Bedeutung.
Spätestens seit dem Beginn der industriellen Revolution im 18. Jahrhundert und dem damit einhergehenden exponentiell wachsenden Ressourcenverbrauch nimmt der Mensch enormen Einfluss auf das globale Ökosystem. Daher sprechen wir in der Gegenwart vom Anthropozän – dem menschengemachten Zeitalter. Vor diesem Hintergrund stellen die in Paris vereinbarten internationalen Klimaschutzziele, die eine Begrenzung der durch den Menschen verursachten Klimaerwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber vorindustriellen Werten verlangen, eine im Rahmen der Erdsystemwissenschaften ermittelte planetare Grenze dar. Jenseits dieser besteht das Risiko, dass Kipppunkte erreicht werden, die zu irreversiblen Zerstörungen von Lebensbedingungen und -räumen führen. Im Zuge dessen ist auch Deutschland, eingebettet in die internationale Staatengemeinschaft und die Europäische Union, mit neuen Herausforderungen konfrontiert.
Lösungsansätze, die den komplexen sozialen und technologischen Dynamiken heutiger Gesellschaften gerecht werden, sind daher ein Schlüssel zur nachhaltigen Bewältigung der aktuellen Herausforderungen des Klimawandels. Deutlich wird das am Beispiel des Verzichts auf fossile Energie. Die Politik kann die notwendigen Rahmenbedingungen für die Regulierung der Energieproduktion und -nutzung setzen und Anreize für nachhaltige Verhaltensweisen schaffen. Es muss dabei die gesamte Gesellschaft angesprochen werden, damit ein kohlenstoffarmer Weg in Produktion und Konsum eingeschlagen wird. Gefordert ist eine Mischung aus klassischer Regulierung, ökonomischen Anreizen, der Einbindung zahlreicher Interessengruppen, dem Engagement der Bürger*innen, aber auch aus grundlegenden Veränderungen von Wertesystemen.
Die von der Politik zu gestaltende Transformation erfordert einen rechtsverbindlichen Rahmen, der für die Akteur*innen in Wirtschaft und Gesellschaft langfristige Planungssicherheit und Vertrauen in die Zukunft gewährleistet. Leitprinzipien für die Steuerung dieser Transformation sind Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte zur Gewährleistung von Freiheit, Gerechtigkeit bei der Lastentragung und Fairness. Insoweit geht es darum, das Instrumentarium des demokratischen Verfassungsstaats mit den planetaren Grenzen zu verkoppeln. Da der Klimaschutz eine Herausforderung ist, die alle Ebenen der Politikgestaltung betrifft, ist es wichtig, sowohl die lokale als auch die nationale, regionale (z.B. europäische) und internationale Ebene anzusprechen. Der „Green New Deal“ der Europäischen Union ist ein wichtiger Motor, der die internationale Ebene (Pariser Abkommen, SDGs) mit der nationalen und regionalen Ebene verbindet. Erfolgreiche Klimapolitik benötigt eine intelligente Arbeitsteilung zwischen allen Ebenen der Politikgestaltung, die kohärente Lösungen ermöglicht.
Mögliche Konfliktlinien sind bereits vorhersehbar: Wie kann und soll die Politik im Kontext des Klimaschutzes mit Fragen der Ungewissheit und Unsicherheit umgehen? Wie kann der Wandel freiheitswahrend, demokratisch und sozial gerecht gestaltet werden, ohne dass die notwendigen Maßnahmen an Wirksamkeit verlieren?
Staatliche Regulierung schafft insoweit verfassungsrechtlich verbürgte Rechts- und Investitionssicherheit gegenüber konkurrierenden Interessen und Schutz vor privatrechtlicher Haftung. Zugleich muss die Politik ihren ebenfalls aus der Verfassung fließenden umweltrechtlichen Schutzpflichten gerecht werden. Vor diesem Hintergrund muss auch das Innovationspotential öffentlicher Politik mobilisiert werden: Public Policy ist der Prozess, durch den Regierungen ihre politische Vision in Programme und Aktionen umsetzen, um politische Ziele zu erreichen.
Angesichts der bisherigen Durchsetzungsschwäche von Umwelt- und Klimaschutzbelangen im politischen Alltag muss z. B. über einen „Klimaschutz durch Verfahren“ nachgedacht werden. Konkret geht es um ein wirksames Monitoring des beschlossenen Schutzkonzepts im politischen Prozess. Neben organisatorischen und institutionellen Reformen des demokratischen Entscheidungsprozesses ist überdies ein gesellschaftspolitisch wirksames Leitbild für diesen Wandel zu entwickeln. Dieses Leitbild muss die planetaren Grenzen politisch kontextualisieren und gesellschaftlich übersetzen („Narrativ“). Schließlich müssen gesellschaftliche Lösungen kulturelle Dimensionen miterfassen und auch die Menschen in ihrem lokalen Umfeld – in ihrer Nachbarschaft – einbeziehen, wobei der Lösungsraum durch Erkenntnisse aus den Sozialwissenschaften, Kulturwissenschaften und Psychologie erweitert werden muss.