„Digitalisierung und Künstliche Intelligenz sollten noch mehr für Klimaschutz genutzt werden“
Open Policy Brief mit kritischer Analyse von Smart Networks in Berlin und Brandenburg / Positive Anwendungen vor allem im Mobilitätssektor und in der Hitzeprävention

Bild: Birgit Holthaus
„Die Möglichkeiten der Digitalisierung für Klimaschutzmaßnahmen werden in Berlin und Brandenburg noch nicht ausreichend genutzt“, bemängeln Wissenschaftler*innen des Climate Change Center Berlin Brandenburg jetzt in einem Policy Brief. In der zu Grunde liegenden Studie analysieren sie digitale politische Netzwerke und konkrete App-Anwendungen in der Metropolregion. Die CCC-Forscher*innen porträtierten zudem eine Reihe potentiell relevanten Fallbeispielen hinsichtlich ihrer Umsetzung, Zielstellung und dem tatsächlichen Klimabezug.
„‚Open Data Berlin’ als lang etabliertes Portal biete beispielsweise eine Vielzahl an zugänglichen Datensätzen. Allerdings sind die vorhandenen Datensätze nur peripher für Klimaschutz oder -anpassung relevant“, bedauert Josefine Hintz, Doktorandin an der TU Berlin. „Konkrete Handlungsansätze, die sowohl Data Governance als auch Klimabestrebungen verbinden, scheinen auch in Brandenburg kaum vorhanden“, ergänzt Henriette Närger, Masterstudentin am Lehrstuhl Nachhaltige Stadtökonomie der TU Berlin.
Anwendungsbeispiele, denen diese Verbindung bereits positiv gelingt, fand das Forscherteam vor allem im Mobilitätsbereich und in der Hitzeprävention. Ein Ansatz für klimafreundlicheren Verkehr ist die App „Jelbi“, die sowohl Sharing-Angebote als auch Verbindungen des öffentlichen Nahverkehrs nutzerfreundlich zusammenfasst: neben Bussen und Bahnen der BVG können Berliner*innen unter anderem zwischen Leihfahrrädern, E-Motoroller und Car-Sharing Stationen wählen. Brandenburg testet derzeit einen ähnlichen Ansatz, so soll die in der Pilotphase befindliche Mobilitätsplattform „bbnavi“ den Kommunen zukünftig eine kombinierte Fahrplanauskunft mit Live-Daten ermöglichen. In Berlin hilft außerdem „Smart eFleets“ großen Ver- und Entsorgungsunternehmen mit Elektroflotte maßgeblich bei einer intelligenten Vernetzung externer und interner IT-Systeme sowie der Reduzierung von CO2-Emissionen durch neuartige Pooling- und Sharing-Ansätze. Außerdem wurde im Sommer 2020 eine „KI-basierte Tourenplanung“ von den Berliner Stadtreinigungsbetrieben (BSR) und Berlin Recycling (BR) als Pilotprojekt umgesetzt, welche eine dynamische und gesundheitserhaltende Ressourcenplanung ermöglichen soll.
Hitzeprävention ist neben nachhaltiger Mobilität ein weiterer Bereich in welchem bereits vermehrt das Potential von Daten genutzt wird. Seit Oktober 2021 wird beispielsweise „Quantified Trees (QTrees)“ in Berlin-Mitte getestet, ein KI-gestütztes Bewässerungsvorhersagesystem, das unter Einbeziehung vielfältiger Datenbestände die von Trockenheit gefährdeten Stadtbäume frühzeitig identifizieren soll. Auch die Stadt Brandenburg erprobt derzeit Bodensensorik gegen Trockenheit und Wasserverschwendung in einem Pilotprojekt mit der Technischen Hochschule Brandenburg.
Die Landeshauptstadt Potsdam hat bislang die fortgeschrittensten Anwendungsbeispiele. So gibt es die digitale „Stadtklimakarte“, die sowohl eine Klimaanalyse samt Hitzebelastung beinhaltet als auch eine Starkregengefahrenkarte zu möglichen Überflutungsgebieten in Potsdam und Überflutungsrisiken für einzelne Gebäude enthält. Außerdem stellt Potsdam das „Solar- und Gründachportal“ bereit, welches die Potenzialanalyse des eigenen Daches zur Eignung für Photovoltaik, Solarthermie und Dachbegrünung ermöglicht. Übergreifend steht den Brandenburger Kommunen zudem der „Solaratlas Brandenburg“ zur Verfügung. Zuletzt zeigt das sensorgestützte Waldbrand-Früherkennungssystem „FireWatch“, dass Klima-Bestrebungen nicht unbedingt kommunal gedacht werden sollten, sondern in gewissen Fällen regional bzw. fachspezifisch.
Insgesamt verbleibt Data Governance auch im Klimabereich in Berlin und Brandenburg im Bereich von Fallstudien ohne systematische Interaktion mit langfristiger Klimaschutzpolitik. Felix Creutzig, Professor am Lehrstuhl für Nachhaltige Stadtökonomie, betont: „Gebraucht wird eine einheitliche Data Governance, die sowohl das Engagement von Bürger*innen reflektiert, als auch der Verwaltung sinnvolle Werkzeuge für die städtische Klimaschutz und -anpassungsplanung zur Verfügung stellt.“